« zurück

Immunsystem des Darmes bei Gesunden


Jeder Organismus -Einzeller wie Mehrzeller (z.B. der Mensch) muß sich gegen seine Umwelt behaupten. Dies geschieht auf einer Makroebene (Auseinandersetzung mit Gegenständen, Tieren und anderen konkurrierenden/kooperierenden Menschen) und auf einer Mikroebene (Konfrontation mit Einzellern, Bakterien, Viren und Giftstoffen). Der Ort der intensivsten Konfrontation ist die Oberfläche des Magendarmtraktes, die eigentlich in Bezug auf die Umwelt außen darstellt, nicht innen. Dieses ca. 500 qm großes Areal ermöglicht uns die Aufnahme von Nährstoffen, Mineralien, Spurenelementen und Vitaminen. Es ist -um diese Aufgaben erfüllen zu können- entsprechend durchlässig (permeabel) strukturiert. Andererseits gelangen mit jeder Nahrungsaufnahme unzählige Keime und Giftstoffe (Toxine) in den Magen-Darmtrakt, der ja -sonderlich der Dickdarm- von einer Vielzahl von Mikroben besiedelt ist. Diese Flora ist nicht so brüderlich wie oft behauptet, sondern durchaus in der Lage, uns in kürzester Zeit zu töten (siehe perforierter Blinddarm), wenn es den Bakterien gelingt, die Barriere der Schleimhautoberfläche zu durchdringen. Dieses zu verhindern, haben mehrzellige Organismen ein Immunsystem bzw. Abwehrsystem entwickelt, das den Körper gegen diese Feinde auf der Mikroebene unserer Umwelt in Schacht hält. Die Helden dieses Szenarios sind weiße Blutkörperchen (Leukozyten), insbesondere die Makrophagen (Freßzellen), die T-Zellen, die B-Zellen und die gekörnten weißen Blutkörperchen (=Granulozyten).» A23» A24

Die Makrophagen sehen aus (und funktionieren auch) wie Pantoffeltierchen. Sie laufen an den 5ooqm Schleimhautoberfläche Patrouille - wie ein Greifer-Kommando. Wann immer sie Stoffwechsel-Müll oder Fremdstoffe (z.B. Bakterien, Viren oder deren Bestandteile) entdecken, nehmen sie diese auf und verbrennen sie in ihrem Zellofen, um Energie daraus zu gewinnen. Sie tun aber auch etwas für den Organismus, in dem sie leben. Fragmente dieser Fremdstoffe werden nämlich mit dem Selbstmolekül (MHC-Komplex= Moleküle auf der Oberfläche der Zellen, die für jedes Individuum einzigartig sind) verbunden und an die Zelloberfläche transportiert (Selbstmoleküle finden sich auf allen Zellen eines Organismus (außer den roten Blutkörperchen). Sie sind der Erkennungsstempel, der die Zugehörigkeit zu dem jeweiligen Organismus signalisiert und deshalb bei jedem menschlichen Individuum unterschiedlich ist (außer bei eineiigen Zwillingen).

Makrophagen, die einen Komplex aus Selbstmolekül und Fremdstoff auf der Zelloberfläche tragen, präsentieren diesen den T-Zellen » A25. Diese (CD4-positiven) T-Zellen stellen die Polizeizentrale des System dar. Wenn die T-Zellen den Komplex aus Fremdstoff und Selbstmolekül erkennen (wenn man Fremd und Eigen direkt nebeneinander sieht, kann man am besten herausfinden, ob fremd wirklich fremd oder doch eher eigen ist - wie bei Original und Fälschung), treffen sie eine sehr wichtige Entscheidung. Sie legen nämlich fest, ob es sich wirklich um einen Fremdstoff handelt und wenn ja, wie groß die Bedrohung einzuschätzen sei. Es wird also festgelegt, ob keine Immunantwort (= Entzündungsreaktion), eine nur milde oder gar eine heftige Reaktion zu erfolgen hat. Effektiv arbeitet ein Immunsystem nur dann, wenn es angemessen reagiert. Eine zu geringe Antwort bedeutet drohende Invasion des Feindes, eine zu heftige führt zu einer ausgeprägten Entzündung und damit Funktionseinschränkung des betroffenen Organs bzw. Organismus. Das Gespräch (cross-talk) zwischen der T-Zelle (Polizei-Zentrale) und dem Makrophagen (Greifer-Kommando) wird durch Botenstoffe geführt, die bei einer Bindung und Interaktion zwischen beiden Zellen freigesetzt werden » A26. Dabei kommt den sogenannten pro-inflammatorischen Zytokinen (Entzündungs-vorbereitende Botenstoffe) eine besondere Rolle zu . Die wichtigsten sind Interleukin-1, Tumor-Nekrose-Faktor (TNF) und Interleukin-6. Diese initiieren die Entzündung (spritzt man sie sich unter die Haut, kommt es zur Schwellung, Rötung, Schmerz, spritzt man sie in die Vene, provoziert man Fieber, eine pathologische (krankhafte) Blutsenkungsgeschwindigkeit und ein erhöhtes CRP (C-reaktives Protein= Entzündungsmarker). In der Folge kommt es zu einer Aktivierung von weiteren T-Zellen (z.B. sogenannte Killer-Zellen, die Löcher in die Zellmembran von Tumorzellen, Fremdzellen und Virus-infizierten Zellen schießen können).

Wichtig ist, daß auch B-Zellen (durch Interleukin-2) aktiviert und stimuliert werden. B-Zellen sind für die Produktion von Antikörpern verantwortlich (Antikörper sind Eiweißstoffe die an Fremdstoffen kleben und diese kennzeichnen)» A31. In der Antikörperproduktion liegt ein wesentliches Moment der Effektivität unseres Immunsystems. B-Zellen produzieren genetisch bedingt (also aus sich heraus, ohne Fremd-Stimulation) sogenannte natürliche Antikörper. Dringt ein Fremdstoff in den Körper ein, werden die B-Zellen ausgesucht und besonders stimuliert und vermehrt, deren Antikörper am besten an den Fremdstoff kleben. Diese B-Zellen fangen nun an, die Beschaffenheit der Klebestelle ihres Antikörpers leicht zu variieren. Ensteht dadurch ein Antikörper, der besser klebt, wird nur diese B-Zelle weiter stimuliert. Dieser Vorgang wird so oft wiederholt, bis ein besonders effektiver Antikörper geschaffen ist, der dann in so hoher Auflage reproduziert wird, daß der Fremdstoff überall im Körper abgefangen und die Infektion (oder Vergiftung) besiegt ist. Nun wird die Antikörperproduktion gedrosselt und die meisten B-Zellen abgeschaltet. Einige werden aber ins Archiv gepackt. Wenn nun ein Fremdstoff (aus Bakterien, Viren, Giften) neuerlich den Organismus bedroht, werden die entsprechenden B-Zellen aus dem Archiv geholt, vermehrt und eine Infektion in kürzester Zeit vereitelt. Dieser Mechanismus ist die Grundlage des Gedächnisses unseres Immunsystems und damit das Fundament seiner Effektivität (sowohl auf der Makroebene als auch auf der Mikroebene hat sich in der Evolution die Entwicklung eines Gedächnisses in der Auseinandersetzung mit der Umwelt als vorteilhaft herausgestellt). Bindet ein Antikörper an einen Fremdstoff (oder Virus oder Bakterium), behindert es diesen in seiner Funktion und macht ihn gleichzeitig als fremd kenntlich und gibt Leukozyten das Signal, dass ein Eindringling dingfest gemacht wurde.

Es gibt verschiedene Klassen von Antikörpern:
Immunglobulin-M-Antikörper kleben an vielen Fremdstoffen, aber nicht sehr fest und nicht sehr spezifisch. (sie ähneln den `Klebstoffen´aus der Vor-Immunsystem-Ära, z.B. dem CRP). Sie tauchen in der Evolution als erstes auf und ains auch siw ersten bei jeder neuen Infektion. Immunglobulin-G-Antikörper sind die effektivsten und agilsten. Sie locken -nach Bindung- besonders aktiv Leukozyten an und aktivieren dazu noch das Komplementsystem (eine Eiweiß-Enzym-Kaskade, die nach Stimulation Schieß-Löcher-in-fremde-Zellmembranen-Apparate formiert).IgG-Antikörper aktivieren andere (sekundäre) Entzündungsmediatoren (Leukotriene etc), induzieren die Freisetzung von Sauerstoff-Radikalen (wie im `Rohrfrei´) und Eiweiß-zerhackenden Enzymen (wie in unseren Waschmitteln): Sie vermitteln am wirkungsvollsten Entzündung (und Zerstörung). Immunglobulin-A-Antikörper werden im Gewebe unterhalb der Schleimhaut produziert und durch die Schleimhautzellen hindurch transportiert. Sie überziehen die Schleimhautzellen wie ein Schutzfilm. IgA-Antikörper neutralisieren Fremdstoffe und verhindern ein Eindringen in den Organismus. Sie vermitteln aber keine Entzündung. Sie sind der wichtigste Antikörper der Schleimhäute. Ihnen ist es zu verdanken, daß Millarden von Bakterien auf unseren Schleimhäuten leben ohne die Entwicklung einer Entzündung» A29.

Immunglobulin-E-(IgE-)Antikörper: `Intelligentere´ Parasiten (wie z.B. Würmer) können weder durch IgM, IgG noch durch IgA wirkungsvoll bekämpft werden. Zur Vernichtung dieser Umwelt-Feinde mußte das Immunsystem hochrüsten und hat ein System entwickelt, das die Zusammenarbeit von IgE, Mastzellen und eosinophilen Granulozyten voraussetzt. Diese Kooperation ist sehr effektiv, aber auch sehr anfällig. Allergische Erkrankungen (z.B Neurodermitis, Hautekzeme, Asthma bronchiale, Nahrungsmittelallergien) entstehen durch eine IgE-Reaktion, da das Immunsystem fälschlicherweise glaubt, einer parasitären Herausforderung gegenüber zu stehen (Beispiel: Hausmilben-Bestandteile induzieren eine Neurodermitis, weil das Immunsystem irrtümlicherweise eine Invasion lebender Hausmilben vermutet).

In der Schleimhaut dominiert also eine IgA-vermittelte Immunantwort, die eine Protektion statt einer Inflammation (Entzündung) bewerkstelligt. Impft man etwa gegen das Poliomyelitis-Virus (Kinderlähmung), so erzeugt man nach kurzer Zeit IgA-Antikörper gegen Poliomyelitis in dem Schleimhaut-Schutzfilm, die dem Virus jede Möglichkeit nehmen, in den Körper einzudringen » A30.