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Immunsystem bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
(siehe vorher: Immunsystem des Darmes bei Gesunden)

Der Ablauf der Immunreaktion in der Darmschleimhaut von Patienten mit CED ist in charakteristischer Weise verändert. Bei der Interaktion von Makrophagen und T-Zellen kommt es zur Freisetzung viel größerer Mengen von Botenstoffen (TNF, Interleukin 1 und 6) als in der normalen Mukosa des Gesunden und damit auch zu einem höheren Aktivierungsgrad der T-Zellen und Makrophagen.Dies ist in der entzündeten, aber -in geringerem Ausmaß- auch in der nicht entzündeten Schleimhaut nachweisbar. Insgesamt läuft die Immunreaktion bei Patienten mit CED auf einem zu hohen Niveau ab » A50. Durch die Überaktivierung kommt es auch zur Überstimulation von B-Zellen. Diese produzieren eigentlich den Schleimhaut-schützenden IgA-Antikörper. Durch die Überstimulation kommt es aber auch zur Produktion von IgG-Antikörpern, die Leukozyten anlocken (diese setzen ihrerseits sekundäre Entzündungsstoffe wie Leukotriene, Sauerstoff-Radikale und Enzyme (Proteasen=Eiweißzerhacker) ab, aktivieren Komplement (Löcher-in-Zellen-Schieß-Apparate) provozieren eine Entzündung in die Darmschleimhaut und zerstören in letzter Konsequemz die Schleimhaut.


Wieso kommt es zur Überaktivierung des Immunsystems in der Schleimhaut (Mukosa) ?

Die einleuchtentste Theorie geht von folgendem aus:
  1. Es braucht eine genetisch disponierte Schleimhaut. Eine bestimmte (aber zur Zeit noch nicht sicher bekannte) Gen-Konstellation ist Voraussetzung für die Bereitschaft zur Überstimulation des Immunsystems (nebenbei: Das Selbstmolekül spielt beim Aktivieren der Immunantwort eine große Rolle)
  2. Das Auftreten von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ist an einen zivilisatorischen Lebenstil (der ersten Welt) geknüpft. In Drittweltländern sind die Erkrankungen weitgehend unbekannt, in Schwellenländern (z.B. Türkei) steigt die Häufigkeit . In Mitteleuropa waren Morbus Crohn und Colitis ulcerosa nach dem zweiten Weltkrieg nahezu unbekannt. Was hat sich in der Zwischenzeit an unseren Lebens- (und Eß-!)Gewohnheiten verändert ? In dieser Zeit sind ca. 5 Millionen Substanzen von der chemischen Industrie neu synthetisiert worden, von denen sich mindestens 50 000 als Emulgatoren, Konservierungsstoffe und Farbstoffe in unserer Nahrung befinden. Diese Substanzen sind für die meisten Menschen weder allergen noch toxisch. Es ist aber suggestiv anzunehmen, daß einzelne Menschen gegenüber einzelnen Substanzen oder Substanzgruppen mit ihrem Immunsystem nicht angemessen sondern übermäßig reagieren (`da das Immunsystem `annimmt´, es handele sich um eine besonders gefährliche immunologische Herausforderung: eigentlich nur ein kleiner Schwelbrand, aber die Feuerwehr wird alarmiert, kommt mit 12 Löschzügen und macht alles platt)´. Das Immunsystem bzw. Entzündungssystem reagiert nicht effektiv, sondern übertrieben. Unser Abwehrsystem hat (in den Generationen unserer Ahnen, die uns die Struktur und Eigenschaften vererbt haben) gelernt, mit den Herausforderungen (Mikroben und Giften) unseres Ökosystems fertig zu werden, auf die jetzt neu in die Welt gekommenen Substanzen kann sich das Immunsystem der meisten gut einstellen, aber die Abwehr einzelner Menschen eben nicht: Es kommt zur Überreaktion: Entzündung, obwohl keine eigentliche Gefahr droht (die andere Seite der Medaille: die Vielfalt in der Reaktionsfähigkeit der individuellen Immunsysteme der Menschen garantiert das Überleben der Menschheit, auch gegenüber der gefährlichsten Herausforderung (z.B. HI-Virus), denn es gibt durch die hohe Variabilität immer einige, die resistent sind und unser Überleben als Spezies garantieren).
  3. Die Anwesenheit von Bakterien der normalen Flora. Entzündungen im Rahmen einer CED treten meist dort auf, wo es auch eine nennenswerte Flora gibt. Der vermutliche Grund ist eine unspezifische Verstärkung der immunologischen Abwehrreaktion durch Bakterien (wie wir es von Impfungen (Freund´sches Adjuvans) kennen).

Der Ablauf der Entzündungsreaktion (Pathogenese) in der Darmschleimhaut von CED-Patienten ist sehr gut gesichert . Die Auslösung dieser Entzündung ist spekulativ, das Zusammenwirken von Nahrungsbestandteilen, Flora und erblichen Komponenten aber einleuchtend. Allerdings gibt es noch eine Reihe anderer -teilweise sehr weit hergesuchter- Hypothesen.